Totentanz“ erschallt als szenische Sprechmotette

Gütersloh (nw).

Der Bachchor Gütersloh unter der Leitung von KMD Sigmund Bothmann präsentierte in der Apostelkirche ergreifende kirchenmusikalische Werke von Hugo Distler und Heinrich Schütz.

 

Wer ist’s, der sich zu Gotte kehrt?“ – Unisono stellen das Kind und der Tod im Zwiegespräch diese rhetorische Frage, die wohl den emotional ergreifendsten dramaturgischen Effekt der Sprechmotette von Hugo Distler (1908 bis 1942) in der vollbesetzten Apostelkirche markiert. Der Dialog, der von Regisseur Michael Hoffmann (Tod) und der neunjährigen Sophia Knehans ausdrucksstark inszeniert worden ist, berührte die im Kirchenschiff versammelte Gemeinde.

Gestartet war Distlers 1934 entstandener „Totentanz“, eine für vierstimmigen Chor a cappella gesetzte Komposition, mit dem nach Stimmfächern von Sopran bis Bass anschwellenden Kanon des ersten Spruchs: „Lass alles, was du hast, dass du alles nehmst!“ Der 37-köpfige Klangkörper meisterte mit fantastischer Dynamik die synkopischen und polymetrischen Ausdeutungen, die von KMD Sigmund Bothmann mit modellierter Akribie dirigierte und auf den Punkt koordiniert wurden.

„Zum Tanz, zum Tanze reiht euch ein: Kaiser, Bischof, Bürger, Bauer, arm und reich, und groß und klein. Heran zu mir!“ Michael Hoffmann deklamierte mit professioneller theatralischer Gestik den versinnbildlichten Tod. Nach der Textpassage „Heut heißt’s, nach meiner Pfeife springen“, übergab er symbolisch dem Querflötisten János Bálint die Noten des Liedes „Es ist ein Schnitter, heißt der Tod“, die dieser in den folgenden Zäsuren mit anmutigen Tönen variationsreich erklingen ließ.

Insgesamt 14 gesungene Verse umfasst der Totentanz, der vom Bachchor mal hymnisch, mal traurig gestaltet wurde. Dabei exponierten sich insgesamt elf Solistinnen und Solisten mit kräftigen Stimmen in diesem vielstimmigen Singspiel. Darin eingebettet waren zwölf gesprochene, den Mysterienspielen des Mittelalters nachempfundene Textteile, die von Mitgliedern des Chores deklamiert wurden. Sie wurden dafür eigens von Coach Michael Hoffmann in Höchstform trainiert.

Inhaltlich führten ein Dutzend Angehörige verschiedener Gesellschaftsschichten die irdische Konversation mit dem herannahenden Tod. Deren Biografien, die sich in den Gesprächen offenbarten, offerierten eine breite Schicksalspalette.

Bereits bei der Jungfrau, gespielt von Lucie Asaba, gibt es keine Möglichkeit, dem Tod einen Korb zu geben. Einige Augenblicke später proklamiert das Kind Sophia fehlerfrei seine Verszeilen: „O Tod, wie soll ich das verstehen, ich soll tanzen und kann nicht gehen?“ Michael Hoffmann kommentierte: „Der Tod klingt manchmal recht herb, aber er kann niemanden verdammen, er ist nicht Gott. Er lässt sich sogar vom Schicksal eines Kindes anrühren!“ Und gerührt war das gesamte Publikum, einschließlich Liz Mohn, die das Konzert gefördert hatte und dem Mädchen zum Finale einen Extraapplaus schenkte.

Im zweiten Teil des Konzerts führte der Bachchor von Heinrich Schütz die „Musikalischen Exequien“ SWV 279–281“ auf. Das geistliche Werk begann mit der „Begräbnis-Missa, Teil I“. Zum Teil II teilte sich der Chor auf und nutzte den Raumklang der Apostelkirche. Die Motette „Herr, wenn ich nur dich habe“ erschallte aus dem Altarraum und gleichzeitig von der Empore. Die schwebende Klangatmosphäre erhielt beim Begräbnisteil III „Herr, nun lässest du deinen Diener“ eine Fortsetzung. Die klar differenzierten Stimmen begleitete Gerhard Abe-Graf virtuos am Orgelpositiv.

„Zwei echte Hammerstücke“, kommentierte Kirchenmusikdirektor Sigmund Bothmann im Anschluss an die gelungene und mit gewaltigem Applaus überschüttete Aufführung, die in der Passionszeit eine Gelegenheit für innere Einkehr bot.