30 Jahre Kantor: Sigmund Bothmann zeigt im Jubiläumskonzert, dass er die evangelische Kirchenmusik in Gütersloh zum musikalischen Leuchtturm der Region gemacht hat.
Gütersloh. „Wir sind glücklich, dass du seit 30 Jahren das musikalische Leben in der evangelischen Kirchengemeinde Gütersloh prägst. Und ich bin beeindruckt, wie deine Liebe zur Kirchenmusik in jedem Ton spürbar wird und du den besonderen Moment von Musik in die Stadt und weit darüber hinaus trägst.“ Diesen Worten von Pfarrer Stefan Salzmann, Vorsitzender des Presbyteriums, dürften sich die vielen Besucherinnen und Besucher in der Martin-Luther-Kirche im Geiste angeschlossen haben. Sie alle feierten das drei Jahrzehnte währende Kantorat von Sigmund Bothmann in einer Chorvesper. Und der vielfach Gerühmte? Er wurde an diesem Abend mit jedem Beitrag, den er als Organist wie Chorleiter tätigte, dem Lob der Festredner mehr als gerecht.
Wohl dem, der solche Freunde hat: Als „Netzwerker und Kommunikator“ bezeichnete Welf Sundermann, Vorsitzender des Fördervereins Bachchor Gütersloh, die Fähigkeit des schon früh zum Kirchenmusikdirektor erhobenen Kantors, Geld für musikalische Zwecke zu sammeln.Er sei „als Mensch den Menschen zugewandt“ und „als Künstler seriös“, so Sundermann, der auch nicht verhehlte,
dass es anfangs rappelte und sogar die erste Bewerbung fehlschlug, weil man zunächst die „falsche“ Konfession argwöhnte.
Sundermann erinnerte auch an den preisgekrönten Organisten, der 2002/2003 gemeinsam mit Christian Weiherer Bachs gesamtes Orgelwerk zur Aufführung brachte. Das große Es-Dur-Präludium zu Beginn des Abends zeigte, dass Bothmann die komplexe Polyphonie Bachs nach wie vor mit Elan zu meistern weiß.
Als jungen Kirchenmusiker lernte der damalige Pfarrer der Augustdorfer Dorfkirche, Peter Schröder, den Jubilar kennen und schätzen – eine Freundschaft, die bis heute Bestand hat. Und warum? „Weil ich nur mit einem Menschen befreundet sein kann, der das Leben UND die Musik liebt.“ Das eine sei ein Spiegelbild des anderen, nicht voneinander zu trennen. „Er ist alles andere als oberflächlich, nicht als Mensch und nicht in der Musik“, so Schröder. Er habe auf das Werk seines Vorgängers Hermann Kreutz aufbauen könne. Aber davon habe er nur einmal ernten können. „Dann musstest du selbst säen und pflanzen.“
Und Bothmann hat fleißig gesät und gepflanzt. Nicht nur, was die Arbeit des Bachchores angeht, fiel die Ernte üppig aus. Die für diesem Abend gewählte Musik hatte nichts von populärem Potpourri, sondern war als theologisch-philosophisches wie musikalisches Bekenntnis zu verstehen. In dieser Eindrücklichkeit gelangen Bothmann und dem trefflich vorbereiteten Chor die Interpretation der Musik von Monteverdi und Schütz. Bachs ausdrucksstarke Motette „Jesu, meine Freude“ wurde in bebender Dringlichkeit vorgeführt. Doch auch Brahms’ „Warum ist das Licht gegeben“ mit den intensiv wiederholten „Warum“-Fragen ging unter Haut.
Früchte und „Früchtchen“ von Bothmanns jüngerer Arbeit waren eingangs mit Knabenchor und Choralsingschule zu erleben, die unter Benjamin Reichert mit fröhlichen Werken des Frühbarocks den Anspruch an außergewöhnliche Qualität mit schönster Tongebung befriedigten. „Auf weitere 15 Jahre“, brachte Pfarrer Salzmann dem Geehrten und ob der stehend gebrachten Ovationen sichtlich Gerührten augenzwinkernd einen Toast von starker Konsensfähigkeit aus.
Matthias Gans, Neue Westfälische, 03.09.2022