Gütersloh. (nw) „Der Herrgott hat es gut mit uns gemeint. Wir sind unter einem großen Segen gereist und wieder nach Hause zurückgekehrt.“ Anke Poon ist noch immer fassungslos.
Zusammen mit Ehemann Roman und 48 weiteren Mitgliedern und Förderern des Gütersloher Bachchores befand sich die Herzebrockerin in der vergangenen Woche auf einer Konzert- und Pilgerreise durch Israel. Organisiert worden war die Tour von den beiden Chormitgliedern Maximilian Fissenewert und Patrick Rieckhaus. Die Leitung lag in Händen von Kirchenmusikdirektor Siegmund Bothmann. Begleiter war der evangelische Pfarrer Stefan Salzmann. Planmäßig hat die Gruppe am Freitagnachmittag um 17 Uhr und damit gerade noch rechtzeitig vor dem Hamas-Überfall den Lufthansa-Flieger nach Frankfurt auf dem Ben-Gurion- Flughafen in Tel Aviv bestiegen und das Land verlassen. Gegen 3 Uhr in der Nacht trafen die Reiseteilnehmer wohlbehalten mit dem Bus im Kreis Gütersloh ein.
Wie wohl die meisten anderen Chormitglieder begaben sich auch Anke und Roman Poon danach zur Ruhe. Als Anke Poon am nächsten Morgen die Nachrichten auf ihrem Handy abrief, verstand sie die Welt nicht mehr. Besorgt fragten Freunde nach ihrem Aufenthaltsort und ihrem aktuellen Zustand. „Da erst dämmerte mir, was passiert sein musste“, sagt sie. Und weiter: „Ich habe dann in einer Statusmeldung geschrieben, dass es uns gut geht und wir wieder daheim sind. Danach bin ich für den Rest des Tages nicht mehr ans Telefon gegangen.“
Das Auswärtige Amt rät nach dem Ausbruch der Feindseligkeiten dringend von Reisen nach Israel und in die palästinensischen Gebiete ab. Ausdrücklich gewarnt wird vor Reisen in den Gaza-Streifen. Wörtlich heißt es in dem Hinweis: „Seit dem Morgen des 7. Oktober kommt es zu gravierenden militärischen Auseinandersetzungen im Gebiet um den Gaza-Streifen, mit Beschuss durch Raketen bis nach Tel Aviv und Angriffen auf die lokale Bevölkerung. Die Lage ist hochvolatil. Eine weitere Verschärfung der Lage, eine Ausweitung auf andere Gebiete des Landes und erhebliche Beeinträchtigungen des Flugverkehrs können nicht ausgeschlossen werden.“
Die Warnmeldung endet mit dem Rat, dringend und insbesondere die Hinweise des „Home Front Command“ zum Aufsuchen von Schutzräumen bei Raketenbeschuss zu beachten. „Wir haben uns jederzeit absolut sicher gefühlt“ . Von alledem war während der Reise des Bachchores nichts zu spüren. „Wer durch Israel reist, sieht zwar allerorts schwerbewaffnete Polizei- und Militärangehörige. Doch gerade das gibt einem ein Gefühl von Sicherheit. Wir haben uns – auch in den Palästinensergebieten oder allein unterwegs in der Jerusalemer Altstadt – jederzeit absolut sicher gefühlt. Man muss keine Angst haben“, sagt Anke Poon. Ihre Reise – es ist die zweite nach der Premiere 2018 – verstehen die Mitglieder des Chores auch als Solidaritätsbekundung und Unterstützungsaktion für das Land und seine Bewohner. Das besondere Augenmerk gilt dabei der christlichen Minderheit. „Nur etwa jeder 50. Israeli bekennt sich derzeit zum christlichen Glauben“, weiß Anke Poon.
Begegnungen mit im Land lebenden Christen und die musikalische Begleitung von Gottesdiensten gehörten deswegen zum festen Programm der Reise des Chores, dessen festes Quartier das „German Hospice“ in Jerusalem war. Das Haus befindet sich im Besitz des Erzbistums Paderborn und wird geführt von Angehörigen des Borromäerinnen-Ordens. Gleich zweimal trat der Bachchor am Reisesonntag musikalisch in Erscheinung: In der Erlöserkirche von Jerusalem nahm er am Festgottesdienst zum Auftakt der Jubiläumsfeierlichkeiten aus Anlass des 125-jährigen Bestehens teil. Und am Nachmittag desselben Tages kam es in der Katharinenkirche von Bethlehem zu einem weiteren Konzert zusammen mit einem palästinensischen Chor. Deren Mitglieder luden die Gütersloher danach noch zu einem gemeinsamen Abendessen mit arabischen Spezialitäten ein.
Für beide Seiten überraschend war das Zusammentreffen des Bachchores mit Bischöfin Annette Kurschus. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche von Deutschland (EKD) stand an der Spitze einer Delegation, die aus Anlass des Kirchenjubiläums Israel bereiste. Der Gottesdienst in der Erlöserkirche, in dem sie die Predigt hielt, stand am Ende der Reise. „Dass sie in Jerusalem einen Chor aus ihrer westfälischen Heimatkirche antraf, hat sie sehr gefreut“, berichtet Anke Poon. Gern habe sich Kurschuss danach mit den Güterslohern und dem ortsansässigen Probst Joachim Lenz zum Erinnerungsfoto im Altarbereich zusammen fotografieren lassen.
Die folgenden Tage im Heiligen Land verbrachte der Gütersloher Bachchor wie geplant und ohne unvorhergesehene Ereignisse: Die Gruppe unternahm Rundgänge durch das historische Zentrum von Jerusalem. Ausflüge führten in das Jordantal zur Taufstelle Jesu, in die Stadt Jericho, ans Tote Meer zur Fundstelle uralter Thora- Rollen, an die biblischen Orte am See Genezareth und nach Nazareth zur Verkündigungskirche. Deren Taufbecken und eine Mosaikwand hatten einst übrigens der Wiedenbrücker Sakralkünstler Bernd Hartmann und seine Ehefrau Irma Hartmann-Rochelle geschaffen. Als Erlebnisse, die Reiseteilnehmer nachhaltig beeindruckt hätten, schildert Anke Poon den Besuche der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und den Gang zum Kreuzigungsort Golgatha mit der Grabeskirche frühmorgens um 6 Uhr.