Gütersloh (gl). Es gibt kaum jemanden, den nicht eine persönliche Geschichte mit dem Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach verbindet. Da wundert es nicht, dass der Gütersloher Bachchor am Sonntag zahlreiche Besucher – selbstverständlich unter Beachtung aller Corona-Regeln – in die MartinLuther-Kirche gelockt hat.
Fast 290 Jahre alt, sei es ein Werk, das gerade in dieser widersprüchlichen Zeit, die so wunderschön und schrecklich zugleich sei, viele Menschen berühre, sagt Pfarrer Stefan Salzmann. Kaum vermag man die fünf Paukenschläge abzuwarten, die zu den bekanntesten Takten der Musikgeschichte gehören. Das Orchester l‘arte del mondo und die Trompeten stimmen ein, bis der Chor die Zuhörer unmissverständlich auffordert: „Jauchzet, frohlocket!“ Welch glanzvoller Optimismus, welche Heiterkeit, setzen sich in den Kantaten I, III, V und VI des jubelnden, ausgesprochen sauber intonierenden Chors fort.
Grandios, wie Sigmund Bothmann, lächelnd und mit leichter Hand, seinen Chor in Chorälen wie „Wie soll ich dich empfan gen“ und „Ehre sei Gott in der Höhe“ mit dieser enormen Leuchtkraft auftrumpfen lässt. Bewusst scheint sich der engagierte Dirigent für den herzerwärmenden Vortrag entschieden zu haben und lässt auch die vorzüglichen Instrumentalisten als beredte Verkünder der altbekannten Weihnachtsgeschichte agieren. Mit Spielfreude und Eleganz veredeln sie den Gesamtklang und setzen instrumentale Akzente in den Arien der vier Solisten – wie die Sologeige in der ergreifenden Alt-Arie „Schließe, mein Herze“. Nicht minder überzeugt das Solistenquartett.
Groß ist die Freude, wieder den aus Gütersloh stammenden Tenor Kieran Carrel zu hören, der für Robert Franke einspringt. Wie großartig hat sich seine Stimme entwickelt, die er als eloquenter Evangelist mit vorzüglicher Diktion und satt timbrierter Stimme unter Beweis stellt.
In den stimmungsvoll verhaltenen Arien und Rezitativen erfreuen Olivia Vermeulen, deren warme Altstimme in allen Registern so wunderbar unangestrengt und natürlich klingt, sowie Anna-Sophie Brosig, deren fein artikulierte Sopranstimme natürliche Beweglichkeit ausstrahlt. Und nicht zu letzt nebian Kuhnen, der über einen so üppigen wohlklingenden Bass verfügt, dass es bei der Feinabstimmung in der Interaktion mit seinen fabelhaften Mitstreitern etwas hapert.
Insgesamt ist es ein Hochgenuss, die Musiker und Sänger sieht- und hörbar zu erleben, wie sie Bachs Weihnachtsmusik so exakt in dem Spannungsfeld zwischen mitreißendem neudentaumel und nachdenklicher Kontemplation entfalten. Dafür gibt es zum Abschluss des Weihnachtsoratoriums verdient großen und stehenden Applaus des Publikums.
Dr. Silvana Kreyer, Die Glocke am 21.12.2021