Zusammen mit der Choralsingschule gibt es Konzerte in Jerusalem und Bethlehem. Im Dezember steht zudem das Weihnachtsoratorium in der Dresdner Frauenkirche an.

Gütersloh (nw)  Dass es in Israel gerade wieder politisch kriselt, kann den Bachchor Gütersloh nicht davon abhalten, in den Nahen Osten zu reisen. Gemeinsam mit der Choralsingschule geht es vom 29. September bis 6. Oktober ins Heilige Land. Dort stehen nicht nur zwei Konzerte der Erlöserkirche in Jerusalem und der Geburtskirche in Bethlehem, sondern auch Ausflüge nach Hebron sowie an den See Genezareth an. Eines von mehreren Highlights in diesem Jahr. Nach Israel werden die 40 Sängerinnen und Sänger unter Kirchenmusikdirektor Sigmund Bothmann nicht nur von acht Mitgliedern des Fördervereins, sondern auch von Pfarrer Stefan Salzmann begleitet, „der uns über Israel informiert und theologische Hintergründe beleuchtet“, da die Fahrt bewusst als Pilgerreise angelegt ist, wie Bothmann erklärt. Untergebracht wird die Gruppe im German Hospice St. Charles in Jerusalem. Finanziert wird die Reise durch Eigenbeiträge, es gibt aber auch Geld vom Förderverein und von der evangelischen Kirchengemeinde.

Ein weiteres Großereignis sind zwei Konzerte mit Bachs Weihnachtsoratorium am 15. und 16. Dezember in der berühmten Dresdner Frauenkirche. „Das ist für Chorsänger so bedeutsam wie für ein Orchester die Einladung in die Berliner Philharmonie“, sagt Bothmann. Obwohl das Konzert noch lange hin ist, seien schon viele der 2.000 Sitzplätze verkauft. Das ist umso erstaunlicher, weil wenige Tage zuvor bereits der Chor der Frauenkirche an vier Abenden hintereinander das berühmte Werk spielt. Eingeladen vom Geiger Daniel Hope, der eine Konzertreihe dort verantwortet, wurde eigentlich das Orchester „L’arte del mondo“ aus Leverkusen für die Aufführung des Oratoriums. Den Chor konnte das Orchester selbst bestimmen. Die Wahl fiel auf die Gütersloher Sängerinnen und Sänger. Mit dem in historischer Aufführungspraxis spielenden, vielfach preisgekrönten Orchester verbindet den Bachchor schon ein lange Zusammenarbeit. Die Leitung in Dresden hat Orchestergründer Werner Ehrhardt. Bei der Aufführung am 10. Dezember in Gütersloh dirigiert Bothmann selbst.

Mit „L’Arte del mondo“ bestreitet Bothmann auch das Passionskonzert am Sonntag, 19. März. Gespielt wird das Oratorium „Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuze“, das Joseph Haydn ursprünglich für die
Jesuitengemeinde im spanischen Cadiz als reines Orchesterwerk komponiert hat. Das Stück war so erfolgreich, dass es Haydn auch für Streichquartett bearbeitete und eine Klavierfassung erstellte. Erst später habe Haydn den Text für Chor und Solisten dafür verfasst.
„Das Stück ist selten zu hören, weil die Stimmführung ungewohnt ist und höchste Ansprüche an den Chor stellt“, sagt Bothmann. Ganz zum Schluss, beim effektvollen „Terremoto“ (Erdbeben) kommen dann auch Trompeten,
Posaunen und Pauken zum Einsatz. Die Solisten sind Cornelie Isenbürger (Sopran), Geneviève Tschumi (Alt), Paul Schweinester (Tenor) und Markus Krause (Bass).

Weitere Auftritte gibt es bei der Langenachtderkunst am Samstag, 20. Mai, mit einem „Best of Händel“ um 20, 21 und 22 Uhr sowie beim Ostergottesdienst.

Artikel aus NW vom 4. März 2023 (Matthias Gans)

Gütersloh (akl). Dem Gütersloher Bachchor stehen in diesem Jahr wieder einige Höhepunkte bevor: Außer den Konzerten in den kommenden Monaten – inklusive Auftritt bei der Langenachtderkunst – gibt es eine Konzertreise nach Israel und Palästina im Herbst sowie einen Auftritt am dritten Adventswochenende in der Dresdner Frauenkirche.

Auf die Konzertreise begibt sich der Bachchor gemeinsam mit der Choralsingschule Gütersloh vom 29. September bis 6. Oktober. Die Reisegruppe besteht aus 40 Sängerinnen und Sängern, ach tFördervereinsmitgliedern, Kirchenmusikdirektor Sigmund Bothmann und Pfarrer Stefan Salzmann, Vorsitzender des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde Gütersloh, als Theologe. „Auf dem Programm stehen zwei Konzerte in der Erlöserkirche in Jerusalem sowie in der Geburtskirche in Bethlehem“, berichtet Sigmund Bothmann beim Pressegespräch. Psalm- sowie gegebenenfalls Magnificat-Kompositionen werde der Chor zum Besten geben.
Ebenfalls auf dem Programm steht ein Gottesdienst. Ebenso wie Ausflüge an den See Genezareth, den Ölberg und nach Hebron. Untergebracht ist die Reisegruppe in einem Konvent – dem Deutschen Hospiz Jerusalem. Finanziert wird die Reise durch die Teilnehmer selbst, mit Unterstützung durch den Förderverein.

Bedenken wegen der Sicherheit gebe es keine. „Solange es keine Reisewarnung gibt, reisen wir“, betont Bothmann. Anke Poon aus dem Chor ergänzt: „Vor einigen Jahren sind wir zunächst mit gemischten Gefühlen nach Israel gereist. Hinterher waren aber alle begeistert – deswegen ist auch jetzt die Vorfreude groß.“
Nicht minder groß ist die Vorfreude auf den Auftritt im Dezember in der Dresdner Frauenkirche. Am 15. und 16. Dezember wird es jeweils ein Konzert mit Bachs Weihnachtsoratorium geben – zusammen mit dem Orchester l’arte del mondo unter der Leitung von Werner Ehrhardt. Das Orchester hatte die Einladung in die Frauenkirche erhalten und nahm diese mit dem Bachchor als seinem Hauptpartner selbstverständlich an. „Wir freuen uns, das erste Mal in der Frauenkirche auftreten zu dürfen“, betont Sigmund Bothmann – vor bis 2000 Zuhörern. Die Aufführung des Weihnachtsoratoriums in Gütersloh findet am Sonntag, 10. Dezember, in der Martin-Luther-Kirche statt.

Auch bei der Langenachtderkunst am 20. Mai wird der Bachchor teilnehmen. Auf dem Programm steht ein Best-Of-Händel: unter anderem mit einem Orgelkonzert, einer deutschen Arie und dem Halleluja. Ab 20, 21und 22 Uhr singt der Bachchor in der Martin-Luther-Kirche. Beim Ostersonntagsgottesdienst in der Martin-Luther-Kirche ab 18 Uhr singt der Bachchor ebenfalls.

Die Glocke vom 2. März 2023

Wiener Klassik im Passionskonzert

Gütersloh (nw). Gütersloh. Der Bachchor Gütersloh singt am Sonntag, 19. März, um 18 Uhr „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ von Joseph Haydn. Unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Sigmund Bothmann musizieren Cornelie Isenbürger (Sopran), Geneviève Tschumi (Alt), Paul Schweinester (Tenor), Markus Krause (Bass) und das Orchester L’arte del mondo.

In diesem für den Bachchor ungewöhnlichen Konzert wird beste Wiener Klassik zu hören sein. Joseph Haydn hatte sein Werk 1787 ursprünglich als Passionsmusik für Orchester
geschrieben. Es war das Auftragswerk eines Konvents aus Cádiz und ursprünglich als Meditationsmusik an Karfreitag gedacht. Einige Jahre später hörte Haydn in Passau die
Bearbeitung des dortigen erzbischöflichen Kapellmeisters.

Dieser hatte einen passenden Text schreiben lassen und so aus dem Orchesterwerk etwas Oratorienartiges gemacht. Das fand Haydn so gut, dass er, unter teilweiser Benutzung des Passauer Textes, eine eigene Variante als Oratorium schrieb.

Diese wurde 1796 uraufgeführt und nachfolgend zur erfolgreichsten Fassung der Komposition. Dennoch wird sie heute wenig gespielt. Sie ist anders und schlichter als Haydns große Oratorien wie „Die Schöpfung“ oder „Die Jahreszeiten“ und fiel schon zur Zeit der Klassik der damaligen Geringschätzung der Kirchenmusik zum Opfer.
In Gütersloh wird sie nicht, wie heute üblich, romantisiert, sondern barock musiziert. L’arte del mondo kommt mit alten Instrumenten, die einen halben Ton tiefer als 440 Hertz gestimmt sind, und auch die vier Solisten sind in ihren vielfältigen Tätigkeiten immer wieder in der Barockmusik zu Hause.

Karten gibt es im Vorverkauf bei Gütersloh Marketing, Berliner Straße 63. Restkarten sind an der Abendkasse
erhältlich.

Artikel aus NW vom 17.02.2023 (Matthias Gans)

Weihnachtskonzert mit festlichen Werken von Händel und Bach.

Der Bachchor und die Solisten des Orchesters L’arte del mondo begeistern bei ihrem Weihnachtskonzert mit festlichen Werken von Händel und Bach.

Gütersloh. Zu einer Zeitreise von 1727 bis 1742 lud der Bachchor  Gütersloh plus Solistinnen und Solisten und dem Orchester L’arte del mondo die Besucher seines Weihnachtskonzerts in die Martin-Luther-Kirche; auf dem Programm standen festliche Werke der beiden Barock-Giganten Georg Friedrich Händel und Johann Sebastian Bach.

Den Auftakt bildete die 1727 zur Krönungsfeier des englischen Königs George II. entstandene Coronation anthem „Zadok the priest“ von Georg Friedrich Händel. Die erste dieser vier Anthems ist auch mit Abstand die populärste und meistaufgeführte. Eine langsame, gleichsam sich an das Thema herantastende Instrumentaleröffnung
mündete in die gewaltige namensgebende Chorpassage. Die Deutung des Bachchors beeindruckte in ihrem differenzierten Klangbild und ihrer sehr guten Textverständlichkeit, die Wirkung war majestätisch, aber nicht pompös.

15 Jahre später entstand Händels Oratorium „Der Messias“ mit Texten der King-James-Bibel und des „Book of common prayer“. Aus dem knapp dreistündigen Werk hatte Siegmund Bothmann eine Passage aus dem ersten Teil ausgewählt, der sich mit der Verheißung und Geburt des Heilands beschäftigt. Der lebhaften, klanglich fein austarierten Chorpassage „For unto us a child is born“ folgte die instrumentale
Pastorale „Pifa“, bei dem das Orchester L’arte del mondo eine Kostprobe des besonderen Reizes der historischen Aufführungspraxis mit seinem intimen, warmen Klangbild präsentierte. In den sich anschließenden Sopranpassagen von Accompagnati, Rezitativen und Air wusste der einschmeichelnde Sopran von Catalina Bertucci zu überzeugen; ein besonderes Highlight stellte ihr Duett mit Bettina Pieck (Alt) „He shall feed his flock“ dar, das den Auszug des ersten „Messias“-Teils abschloss.

Aber ein „Messias“ ohne „Hallelujah!“? Unvorstellbar, und so kulmunierte der Händel-Block mit dem Abschlusschor des zweiten Teils. Hervorragende Textverständlichkeit und präzise Ausgestaltung der vier Stimmregister kennzeichneten die Aufführung, eine spezielle Anerkennung ist den Sopranen zu zollen, die auch die extremen Höhen wunderbar beherrschten.

Johann Sebastian Bachs „Magnificat“ siedelt sich in der BWV243-Fassung zwischen 1732 und 1735 an und wurde auch für die Weihnachtszeit geplant und aufgeführt. Gegenüber den zuweilen mächtigen Händel-Chören wirken die Bach’schen etwas schlanker, quirliger, dynamischer, eine Herausforderung, der der Bachchor glänzend gerecht wurde. Im „Magnificat“ kamen auch die Solisten zu ihren Einsätzen, so die zweite Sopranistin Melanie Hirsch, der Tenor Joo-Hoo Shin und der Bass Andreas Jören, die ihre Partien durchweg souverän bewältigten. Besonders hervorzuheben ist aber die Altistin Bettina Pieck, die neben ihren Soloeinsätzen auch noch das Altregister im Bachchor verstärkte. Ein Highlight der Aufführung war ihr „Esurientes“ in der Begleitung von zwei Blockflöten (Stefanie Kessler, Juli Wang), deren warmer Klang ihre Solopartie zu einem besonderen musikalischen Moment werden ließen.

Dem prachtvollen Finale des „Magnificat“ folgten zwei Zugaben: „Es ist ein Ros’ entsprungen“ in einer sehr zarten, einfühlsamen Ausgestaltung und noch einmal das „Hallelujah“. Siegmund Bothmanns engagiertes Dirigat, die Präzision des Chores und die durchweg gut bei Stimme agierenden Solisten machten das Weihnachtskonzert zu einem besonderen Erlebnis, das vom Publikum mit stehenden Ovationen honoriert wurde.

(NW vom 20.12.22, Rainer Gerbaulet)

Bachchor schafft bewegendes Hörerlebnis

Gütersloh (gl). War das ein stimmungsvoller Auftakt zur Vorweihnachtszeit, den das traditionelle Konzert des Bachchors Gütersloh amSonntagabend geboten hat. Dabei war die Martin-Luther-Kirche ein durchaus würdiger Aufführungsort für Georg Friedrich Händels jubelndeHymne „Zadok the Priest“, die bei Krönungen der britischen Monarchen in der Londoner Westminster Abbey erklingt.

Nicht genug, werden Fußballfans die festliche Hymne auch als „ihre“ Hymne der Champions League erkannt haben. Aber ungeachtet dessen, erzeugt sie noch 300 Jahre später Gänsehaut. Nach einer mit 22 Takten sehr ruhigen Einleitung überwältigt der von Pauken und Trompeten dynamische Choreinsatz. Und auch die ungeheure Leistung von Kirchenmusikdirektor Sigmund Bothmann, „seinen“ Chor auf ein so hohes Niveau gebracht zuhaben. Unglaublich, wie fein er alle Stimmregister zieht, wie perfekt der Zusammenklang mit den flexibel und sensibel agierenden Musikern des Orchesters l’arte del mondo ist.

Fast hätte es den „Messias“ nicht gegeben. Zum Glück konnte der Librettist Charles Jennens den gichtkranken 56-jährigen Georg Friedrich Händel doch überreden. Nach der Uraufführung vor 280 Jahren war der Ansturm so groß, dass die Damen gebeten wurden, ohne die üppigen Röcke zukommen, damit mehr Leute in den Saal passten. Dass die Begeisterung bis heute anhält, zeigte das ausverkaufte Konzert in Gütersloh. Es war nicht nur der fröhliche Ohrwurm-Satz „For unto us a Child is born“, den der Chor mit Herzblut sang, auch die „Pifa“, das einzige Instrumentalstück, diesich kontrastreich dem wunderbar wiegenden Rhythmus anschließt. Atemlos lauscht man dem Sopran-Solo „Rejoice Greatly“, bei dem Händel alle Register seiner Opernerfahrung zieht und Catalina Bertucci mit ihrer satt timbrierten, klangschönen Stimme verzückte. Und nicht zu vergessen, das „Hallelujah“, das gleich zweimal durch den Kirchenraum strömte.

Was für ein bewegendes vorweihnachtliches Hörerlebnis, das durch Johann Sebastian Bachs prachtvolles „Magnificat“ in D-Dur, BWV 243 einen Höhepunkt erreichte. Auch wenn Bothmann die schlanke Version ohne die eingeschobenen Weihnachtslieder wählte, verfehlte es seine Wirkung nicht. Präzise und sauber intonierte der Chor einen der großartigsten Eröffnungschöre der Musikgeschichte in Bachs Trost spendendem Werk. Das Solistenquintett ergänzte der schlanke Sopran von Melanie Hirsch, der geschmeidige Alt von Bettina Pieck und die soliden Männerstimmen von Joo-Hoon Shin (Tenor) sowie Andreas Jören (Bariton). In nachdenklicher Stimmung vereinen sich drei Sopranstimmen aus dem Chor. Im Mittelpunkt des Magnificats vereinen sich nochmals die Chorstimmen in der großen Chorfuge „Fecit potentiam“. Sigmund Bothmanns Leidenschaft für die Musik wirkte einfach ansteckend.

(Die Glocke vom 20.12.22, Dr. Silvana Kreyer)

30 Jahre Kantor: Sigmund Bothmann zeigt im Jubiläumskonzert, dass er die evangelische Kirchenmusik in Gütersloh zum musikalischen Leuchtturm der Region gemacht hat.

Gütersloh. „Wir sind glücklich, dass du seit 30 Jahren das musikalische Leben in der evangelischen Kirchengemeinde Gütersloh prägst. Und ich bin beeindruckt, wie deine Liebe zur Kirchenmusik in jedem Ton spürbar wird und du den besonderen Moment von Musik in die Stadt und weit darüber hinaus trägst.“ Diesen Worten von Pfarrer Stefan Salzmann, Vorsitzender des Presbyteriums, dürften sich die vielen Besucherinnen und Besucher in der Martin-Luther-Kirche im Geiste angeschlossen haben. Sie alle feierten das drei Jahrzehnte währende Kantorat von Sigmund Bothmann in einer Chorvesper. Und der vielfach Gerühmte? Er wurde an diesem Abend mit jedem Beitrag, den er als Organist wie Chorleiter tätigte, dem Lob der Festredner mehr als gerecht.

Wohl dem, der solche Freunde hat: Als „Netzwerker und Kommunikator“ bezeichnete Welf Sundermann, Vorsitzender des Fördervereins Bachchor Gütersloh, die Fähigkeit des schon früh zum Kirchenmusikdirektor erhobenen Kantors, Geld für musikalische Zwecke zu sammeln.Er sei „als Mensch den Menschen zugewandt“ und „als Künstler seriös“, so Sundermann, der auch nicht verhehlte,

dass es anfangs rappelte und sogar die erste Bewerbung fehlschlug, weil man zunächst die „falsche“ Konfession argwöhnte.

Sundermann erinnerte auch an den preisgekrönten Organisten, der 2002/2003 gemeinsam mit Christian Weiherer Bachs gesamtes Orgelwerk zur Aufführung brachte. Das große Es-Dur-Präludium zu Beginn des Abends zeigte, dass Bothmann die komplexe Polyphonie Bachs nach wie vor mit Elan zu meistern weiß.

Als jungen Kirchenmusiker lernte der damalige Pfarrer der Augustdorfer Dorfkirche, Peter Schröder, den Jubilar kennen und schätzen – eine Freundschaft, die bis heute Bestand hat. Und warum? „Weil ich nur mit einem Menschen befreundet sein kann, der das Leben UND die Musik liebt.“ Das eine sei ein Spiegelbild des anderen, nicht voneinander zu trennen. „Er ist alles andere als oberflächlich, nicht als Mensch und nicht in der Musik“, so Schröder. Er habe auf das Werk seines Vorgängers Hermann Kreutz aufbauen könne. Aber davon habe er nur einmal ernten können. „Dann musstest du selbst säen und pflanzen.“

Und Bothmann hat fleißig gesät und gepflanzt. Nicht nur, was die Arbeit des Bachchores angeht, fiel die Ernte üppig aus. Die für diesem Abend gewählte Musik hatte nichts von populärem Potpourri, sondern war als theologisch-philosophisches wie musikalisches Bekenntnis zu verstehen. In dieser Eindrücklichkeit gelangen Bothmann und dem trefflich vorbereiteten Chor die Interpretation der Musik von Monteverdi und Schütz. Bachs ausdrucksstarke Motette „Jesu, meine Freude“ wurde in bebender Dringlichkeit vorgeführt. Doch auch Brahms’ „Warum ist das Licht gegeben“ mit den intensiv wiederholten „Warum“-Fragen ging unter Haut.

Früchte und „Früchtchen“ von Bothmanns jüngerer Arbeit waren eingangs mit Knabenchor und Choralsingschule zu erleben, die unter Benjamin Reichert mit fröhlichen Werken des Frühbarocks den Anspruch an außergewöhnliche Qualität mit schönster Tongebung befriedigten. „Auf weitere 15 Jahre“, brachte Pfarrer Salzmann dem Geehrten und ob der stehend gebrachten Ovationen sichtlich Gerührten augenzwinkernd einen Toast von starker Konsensfähigkeit aus.

Matthias Gans, Neue Westfälische, 03.09.2022

Konzert zu Ehren von Kirchenmusikdirektor Sigmund Bothmann

Gütersloh (gl). Ehre, wem Ehre gebührt. Im Kulturleben der Stadt Gütersloh und weit darüber hinaus fällt dazu sofort Kirchenmusikdirektor Sigmund Bothmann ein. Bei der Chorvesper zu Ehren seines 30-jährigen Schaffens in Gütersloh sparten die Laudatoren am Donnerstag in der Martin-Luther-Kirche nicht mit Lobesworten.

Allen voran hob Pfarrer Stefan Salzmann, der Vorsitzende des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde Gütersloh, den „hohen, künstlerischen Anspruch“ hervor, mit dem Bothmann mit „Leidenschaft und Liebe allen ganz besondere Momente der Musik geschenkt“ habe. Schmunzelnd erinnerte sich Welf Sundermann, der Vorsitzende des Fördervereins des Bachchors, daran, dass Bothmann wegen „unklarer Konfession“ erst in der zweiten Runde überzeugte und hob dessen Fähigkeiten als Chorleiter, Konzertorganist, Organisator und vor allem als weltzugewandter Mensch hervor.

Berührend philosophierte Pfarrer Peter Schröder über die langjährige Freundschaft mit dem Jubilar, mit dem er bereits vor 35 Jahren in der Augustdorfer Dorfkirche zusammenarbeitete und den er als Menschen, der das Leben und die Musik liebe, besonders schätze.

Mit dem technisch glanzvollen Präludium Es-Dur, BWV 532 des jungen Johann Sebastian Bach eröffnete Bothmann selbst die musikalische Feierstunde. Allein die ersten aufwärtsstürmenden Klänge reißen den Hörer mit und signalisieren, dass es um die Virtuosität, besonders um die des Pedals geht. Nicht nur ein charismatischer Chorleiter, was er am Konzertabend einmal mehr bewies, ist er auch ein hervorragender Konzertorganist. Außer kürzeren, eindrucksvollen Chorwerken von Heinrich Schütz und Claudio Monteverdi, ragte die fünfstimmige Motette „Jesu, meine Freude“ BWV 227 hervor.

Für viele Chorsänger einfach „die“ Motette Bach, bleibt es ein Geheimnis, warum Bothmann die höchstwahrscheinlich für eine Trauerfeier komponierte Musik gewählt hat. Mit feinstem Gespür von Linda Mantcheva (Violoncello) und Gerhard Abe-Graf (Orgel) begleitet, sang der Chor lupenrein intoniert und mit größter Hingabe unter dem gewohnt mitreißendem Dirigat Bothmanns.

Und selbstverständlich zeigten sich auch der Knabenchor und die Choralsingschule Gütersloh unter der Leitung von Benjamin Reichert von der besten Seite und verzückten mit abwechslungsreichen Liedern italienischer und englischer Komponisten aus dem sechszehnten Jahrhundert. Nach der Zugabe mit Josef Rheinbergers „Bleib bei uns, denn es will Abend werden“ op. 69, Nr. 3 hörte man so manchen der zahlreichen Besucher in der vollbesetzten Kirche sagen, dass es noch viele Konzerte mit Bothmann und dem Bachchor geben möge.

Dr. Silvana Kreyer, Die Glocke, 03.09.2022

Der Bachchor gedachte seines ehemaligen Leiters Hermann Kreutz mit der Johannespassion.

Gütersloh (kusch). Mal erhaben und hochdramatisch, mal aber auch intim und tröstlich war die Musik, die jetzt in der Martin-Luther-Kirche erklang. Der Gütersloher Bachchor sang die Johannespassion seines Namenspatrons Johann Sebastian Bach und widmete sie dem Andenken des langjährigen Dirigenten Hermann Kreutz, der kürzlich im Alter von 90 Jahren verstarb.

In einer bewegenden Predigt zwischen den beiden Teilen der Bach-Komposition fand der Neffe des Dirigenten, Pastor Stephan Kreutz aus Bremen, sehr persönliche Worte, die er im Zusammenhang mit den soeben gehörten Bachschen Klängen empfand. Die Erinnerungen an Hermann Kreutz waren an dieser Stelle sofort wach, gestand er. Nicht nur das Bild eines außerordentlich engagierten Dirigenten, der seinen Chor kurz vor dem Auftritt mit heftigem Stampfen auf dem Dirigentenpult motivierte: „Es muss leidenschaftlich sein!“. Auch das Bild eines Menschen, dessen Herzenswunsch es war, die Musik als Quelle zur Verständigung der Nationen zu verstehen: Hermann Kreutz’ Familie stammte aus Polen, dorthin reiste er besonders gerne mit dem Chor. Außerdem ein Rückblick auf ein Familienleben rund um die Musik, das jedes Familienmitglied mit ihm teilte – ein warmes Porträt, das schöne Erinnerungen auffrischte.

Die mehrmals von Bach umgeänderte Johannespassion zeichnet die Stationen der Leidensgeschichte Jesu musikalisch nach: Die Gefangennahme im Garten Gethsemane, das Verhör durch Pontius Pilatus, die Verurteilung und schließlich die Kreuzigung. Die Besucher der Martin-Luther-Kirche erlebten die Solisten, den Chor und das Orchester an diesem Sonntag in erstklassiger Verfassung. Sigmund Bothmann bestach als Dirigent (teilweise dirigierte er vom Cembalo aus) erneut mit einer herausragenden musikalischen Sensibilität, die das Fundament seiner schlüssigen, spannungsgeladenen und zugleich detaillierten Textausdeutung bildete.

Leidenschaftlich, intonationssicher und klar artikuliert meisterte der Bachchor alle musikalischen Herausforderungen, den mächtigen Eingangschor mit den berühmten, dreifachen „Herr“-Rufen und Koloraturfiguren ebenso wie die reflektierenden Gebetschoräle, wie den aus einem Guss gemeißelten „In meines Herzens Grunde“. Fulminant waren die Turba-Chöre, die höchstdramatischen Kommentare des Volkes, oft bedrohlich, aber auch hämisch, wie der „Sei gegrüßet, lieber Judenkönig“.

Das Orchester l’arte del mondo modellierte das dramatische Geschehen auf historischen Instrumenten auf hohem Niveau mit. Der pochende Bass zu Anfang, die Wellenfiguren der Streicher und die dissonanten Bläser gaben den späteren „Herr“-Ausrufen der Chorsänger ein unabdingbares, bedrohliches Fundament. Das passable Ensemble der Solisten krönte die geglückte Aufführung schließlich. Allen voran Joo-hoon Shin, der in der tragenden Rolle des Evangelisten mit einer souveränen Gestaltung der Rezitative und in den Arien mit einer hellen und schönen Stimme bestach. „Es ist vollbracht“, die letzten Worte Jesu am Kreuz übernahm die Altistin Bettina Pieck mit tief empfundener Emotion, während die Sopranistin Anna-Sophie Brosig mit ihrer lupenreinen Stimme verzauberte. Auch Fabian Kuhnen als Pilatus und Oliver Pürckhauer als Jesus überzeugten, beide von großem Format und mit schönen, sonoren Stimmen.

Ein Konzert, das nicht nur eine überragende musikalische Auslegung der Johannespassion, sondern zugleich auch eine würdige Erinnerung und ein großartiges Andenken an den angesehenen Dirigenten Hermann Kreutz war.

Eugenie Kusch, Neue Westälische vom 06.04.2022

Gütersloh (gl). Eine lange Schlange von Menschen, die ins Gotteshaus möchten, wünscht sich wohl jede Kirchengemeinde. Für Sonntag hatte der Bachchor zur Johannespassion von Johann Sebastian Bach in die Martin-Luther-Kirche eingeladen. Die Musikbegeisterten kamen in Scharen.

Unterstützt wurde der Bachchor vom Orchester L’arte del mondo aus Leverkusen. Als Solisten wirkten Anna-Sophie Brosig (Sopran), Bettina Pieck (Alt), Joo-hoon Shin (Tenor, Evangelist), Fabian Kuhnen (Bass, Arien, Pilatus) und Oliver Pürckhauer (Bass, Jesus). Die Leitung des Konzerts lag in den bewährten Händen von Kirchenmusikdirektor Sigmund Bothmann.

Die Johannespassion wurde im Gedenken an Hermann Kreutz aufgeführt, der den Bachchor mehr als 30 Jahre lang geleitet hatte und im Dezember vergangenen Jahres verstorben war. Sein Neffe, Pastor Stephan Kreutz, war aus Bremen angereist.

„Mein Onkel war Musiker durch und durch. Das durften Sie als Bachchor in den mehr als 30 Jahren seines Dirigats stets spüren“, sagte er.

Die Johannespassion gilt als das Bachsche Antrittswerk als Kantor in Leipzig. Das Stück für vierstimmigen Chor, Solisten und Orchester holt weit aus. Es beginnt mit dem Verrat und der Gefangennahme Jesu im Garten Getsemani, führt den Zuhörer über das Verhör durch Pilatus und den Schuldspruch hin auf den Berg Golgatha, auf dem Jesus am Kreuz stirbt.

Als das Volk die Verurteilung Jesu fordert, ist die Dramatik in der Musik spürbar: „Kreuzige ihn“ erschallt es hart, unerbittlich. Besonders eindrucksvoll sind die von den Solisten vorgetragenen Arien, die teils vom Chor begleitet werden. So heißt es nach der Verurteilung Jesu: „Eilt, ihr angefochtnen Seelen, geht aus euren Marterhöhlen, eilt – Wohin? Nach Golgatha. Nehmet an des Glaubens Flügel, flieht – Wohin? Zum Kreuzeshügel, eure Wohlfahrt blüht allda.“

Im Gegensatz zur Matthäuspassion wird der Kreuzweg nicht näher thematisiert. Bach legt sein Augenmerk auf die musikalische Untermalung der Szenen auf Golgatha. Nach Stunden am Kreuz geht die Kraft des Jesus von Nazareth zu Ende. Oliver Pürckhauer haucht ganz zärtlich die letzten Worte Jesu aus: „Es ist vollbracht.“ Der Evangelist kommentiert das Geschehene: „Und er neigte das Haupt und verschied.“

Zugleich laufen das Orchester L’arte del mondo und der Evangelist Joo-hoon Shin zur Höchstform auf. Im gewaltigen Crescendo des Orchesters donnert der Tenor von der Kanzel: „Und siehe da, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stück, von oben an bis unten aus.“ Nachdem der Leichnam Jesu ins Grab gelegt worden war, schließt die Johannespassion mit dem Schlusschoral „Ach Herr, lass dein lieb Engelein“ und den Worten „Herr Jesu Christ, erhöre mich, ich will dich preisen ewiglich“.

Mitreißend und vielseitig

Gütersloh (gl). Wieder einmal hat Sigmund Bothmann bei der Auswahl der Solisten Fingerspitzengefühl bewiesen. Den Sopran von Anna-Sophie Brosig hätten viele Zuhörer sicherlich gern öfter als in zwei Arien gehört. Und Bettina Pieck begeisterte das Publikum ebenso wie Tenor Joo-hoon Shin, der die

Rezitative des Evangelisten mitreißend interpretierte. Die Bässe Fabian Kuhnen und Oliver Pürckhauer brillierten in ihren Rollen und zeigten sich von ihrer größten Vielseitigkeit. Als die Musiker die Finger von den Instrumenten nehmen, ist das Publikum so ergriffen, dass es einige Zeit dauert, bis ein

erster zaghafter Applaus ansetzt und dann in minutenlangen Standing Ovations aufbrandet. Hermann Kreutz, der die Johannespassion besonders gern aufführte, wäre sicherlich gerührt gewesen.

Jan Hermann Ruthmann, Die Glocke vom 05.04.2022

Gütersloh (gl). Es gibt kaum jemanden, den nicht eine persön­liche Geschichte mit dem Weih­nachtsoratorium von Johann Se­bastian Bach verbindet. Da wun­dert es nicht, dass der Güterslo­her Bachchor am Sonntag zahl­reiche Besucher – selbstverständ­lich unter Beachtung aller Coro­na-Regeln – in die Martin­Luther-Kirche gelockt hat.

Fast 290 Jahre alt, sei es ein Werk, das gerade in dieser wider­sprüchlichen Zeit, die so wunder­schön und schrecklich zugleich sei, viele Menschen berühre, sagt Pfarrer Stefan Salzmann. Kaum vermag man die fünf Pauken­schläge abzuwarten, die zu den bekanntesten Takten der Musik­geschichte gehören. Das Orches­ter l‘arte del mondo und die Trompeten stimmen ein, bis der Chor die Zuhörer unmissver­ständlich auffordert: „Jauchzet, frohlocket!“ Welch glanzvoller Optimismus, welche Heiterkeit, setzen sich in den Kantaten I, III, V und VI des jubelnden, ausge­sprochen sauber intonierenden Chors fort.

Grandios, wie Sigmund Both­mann, lächelnd und mit leichter Hand, seinen Chor in Chorälen wie „Wie soll ich dich empfan­ gen“ und „Ehre sei Gott in der Höhe“ mit dieser enormen Leuchtkraft auftrumpfen lässt. Bewusst scheint sich der enga­gierte Dirigent für den herz­erwärmenden Vortrag entschie­den zu haben und lässt auch die vorzüglichen Instrumentalisten als beredte Verkünder der alt­bekannten Weihnachtsgeschichte agieren. Mit Spielfreude und Ele­ganz veredeln sie den Gesamt­klang und setzen instrumentale Akzente in den Arien der vier So­listen – wie die Sologeige in der ergreifenden Alt-Arie „Schließe, mein Herze“. Nicht minder über­zeugt das Solistenquartett.

Groß ist die Freude, wieder den aus Gütersloh stammenden Tenor Kieran Carrel zu hören, der für Robert Franke einspringt. Wie großartig hat sich seine Stimme entwickelt, die er als eloquenter Evangelist mit vorzüglicher Dik­tion und satt timbrierter Stimme unter Beweis stellt.

In den stim­mungsvoll verhaltenen Arien und Rezitativen erfreuen Olivia Ver­meulen, deren warme Altstimme in allen Registern so wunderbar unangestrengt und natürlich klingt, sowie Anna-Sophie Bro­sig, deren fein artikulierte So­pranstimme natürliche Beweg­lichkeit ausstrahlt. Und nicht zu­ letzt nebian Kuhnen, der über ei­nen so üppigen wohlklingenden Bass verfügt, dass es bei der Fein­abstimmung in der Interaktion mit seinen fabelhaften Mitstrei­tern etwas hapert.

Insgesamt ist es ein Hoch­genuss, die Musiker und Sänger sieht- und hörbar zu erleben, wie sie Bachs Weihnachtsmusik so exakt in dem Spannungsfeld zwi­schen mitreißendem neudentau­mel und nachdenklicher Kontem­plation entfalten. Dafür gibt es zum Abschluss des Weihnachts­oratoriums verdient großen und stehenden Applaus des Publi­kums.

Dr. Silvana Kreyer, Die Glocke am 21.12.2021

Gütersloh. Der Dank von Pfarrer Stefan Salzmann ans Publikum, das Einlassprocedere zum diesjährigen Weihnachtskonzerts des Gütersloher Bachchores „so brav“ mitgemacht zu haben, wurde am Ende des Abends mit Beifallsstürmen zurückgegeben. Zu groß war auf beiden Seiten die Freude, Bachs Weihnachtsoratorium gerade in diesen Zeiten wieder singen und hören zu dürfen, als dass 2G, Test und Maskenpflicht das Vergnügen hätten schmälern können.

Was nicht bedeutet, dass Kirchenmusikdirektor Sigmund Bothmann diesmal mit deutlich gelockerter Handbremse durch Bachs beliebtes Opus gebrettert wäre. Im Gegenteil. Selten hat man dieses Werk, aus dem Bothmann die Kantaten Nr. 1, 3, 5 und 6 ausgewählt hatte, emotional so wunderbar austariert in den freudigen wie auch meditativen Momenten musiziert gehört.

„Jauchzet, frohlocket“, der Eröffnungschor übte auch diesmal – und vielleicht noch mehr als sonst – seine Faszination aus. Ganz subtil nutzten Bothmann und die Sängerinnen und Sängern die Schwerpunkte des Dreiertakts, wie bei einem Trampolin immer neue Energie aufzutanken und abzugeben. Wer wollte bei diesem Jubel mit (Natur-)Trompetenschall und mit Holzschlegeln befeuerten Paukenschlägen nicht in ebensolche Stimmung geraten? Aber nie schossen die Ausübenden übers Ziel hinaus. Der Chor war hinsichtlich Frauen – und Männerstimmen wohl ausbalanciert,

die Stimmverläufe hier wie auch in den Chorälen und konzertanten Chorsätzen blieben auf geschmeidige Weise durchhörbar. Und doch war dieser Klang auch von Fülle und Wärme, von großer Lebendigkeit durchpulst.

Der vokale Substanzreichtum machte sich nicht nur in den virtuosen Sätzen bemerkbar, sondern auch dann, wenn es darum ging, ganz leise zu singen. Hat man „Wie soll ich dich empfangen“ auf die Melodie des Passionschorals „O Haupt voll Blut und Wunden“ jemals so zart und zurückgenommen gehört? Einer der schönsten Momente dieses an magischen Momenten nicht armen Abends. Vielleicht auch eine Verbeugung vor Hermann Kreutz, dem langjährig wirkenden Vorgänger Bothmanns, der vor wenigen Tagen gestorben ist und dem zu Beginn des Abends kurz und still gedacht wurde.

Die Solisten fügten sich nahtlos ins hochkarätige Klanggeschehen. Von Sopranistin Anne-Sophie Brosig hätte man gerne noch mehr als eine Soloarie gehört. Doch wie sie in dem Rezitativ „Du Falscher, suche nur den Herrn zu fällen“ dem Herodes mit Attacke Beine machte und in der Arie „Nur ein Wink“ expressive Kraft mit Klarheit der Stimmführung verband, war mustergültig. In schönstem Einvernehmen gelang auch das Duett mit Fabian Kuhnen, der mit Eleganz seine Bassstimme führte, allerdings in der Höhe manchmal etwas wackelte. Diese wohl tagesaktuelle leichte Unpässlichkeit wusste er mit Stilbewusstsein und deutlicher Aussprache auszugleichen.

Olivia Vermeulen indes hatte reichlich Gelegenheit, ihren ausdrucksstarken Alt in allen Farben schillern zu lassen. In der Arie „Schließe, mein Herz“, verband sich ihr inniger Vortrag mit dem feingesponnenen Geigenspiel von Konzertmeisterin Andrea Keller. Sie sei beispielhaft für die vielen exzellenten Solisten des Orchesters „l’arte del mondo“ genannt, dessen internationales Renommee sich einmal mehr als zutreffend erwies.

Und Kieran Carrel? Der im Bachchor aufgewachsene, jetzt 25 Jahre junge Tenor und Ensemblemitglied der Oper Bonn darf als Musterbeispiel eines Evangelisten gelten: Er hat eine Stimme, die bezwingend und doch leicht vom Wort ausgeht und sinnfällig und klangschön die melodische Linie auszusingen weiß. Und er versteht es, mit zartem Schmelz selbst noch im Piano einen Kirchenraum zu füllen. Stimmschönste Gesangskunst.

Der Bachchor ließ auch nach anderthalb Stunden keine Ermüdung erkennen. Mit Furor drückte er in „Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben“, die Hörer in ihre harten Kirchenbänke und behauptete sich auch im orchestralen Geschmetter des finalen Chorals „Nun seid ihr wohl gerochen“ als stimm- und glaubensstarke Gemeinde. Ein herzbewegendes Klangfest.

Matthias Gans, Neue Westfälische, 21.12.2021